Im ersten Teil unserer Serie haben wir die Grundlagen des Variantenmanagements veranschaulicht. Schon wenige Auswahlmöglichkeiten erzeugen eine Vielzahl an Kombinationen – und damit eine wachsende Komplexität in der Produktgestaltung.
Wir haben die Komplexitätsstufen PTO – ATO – CTO – ETO erläutert und die besonders relevante Mischform CTO+ vorgestellt. Wir haben gezeigt, wie ein wirkungsvolles Variantenmanagement je nach dem geforderten Individualisierungsgrad aussehen kann, und welche Herausforderungen und Chancen sich daraus ergeben
Unser Fazit: Wer individuelle Kundenwünsche wirtschaftlich erfüllen will, braucht ein leistungsfähiges Variantenmanagement und durchgängig orchestrierte Prozesse.
Gehen wir nun einen Schritt tiefer und schauen uns in diesem Artikel den sinnvollen Einsatz der durchgängigen Variantenkonfiguration in den Kerngeschäftsprozessen näher an: Marketing, Vertrieb, Engineering, Planung, Produktion und Services.
Zum Einstieg gehen wir detaillierter auf die unterschiedlichen Einsatzbereiche von Konfiguration und Automatisierung ein und zeigen die drei typischen Reifegrade.
Wie können wir die Digitalisierung vorantreiben und Innovationspotentiale erschließen? Das ist kein IT-Projekt. Das ist eine schrittweise Transformation von der klassischen manuellen Auftragskonstruktion hin zu einer ganzheitlichen Lösungskonfiguration für alle Komplexitätsstufen mit weitgehender Automatisierung des Engineer-to-Order und der Abwicklungsprozesse. Die obere Abbildung zeigt, dass schrittweise eine deutliche Reduzierung der manuellen ETO-Anteile (rot) erreicht werden kann. Ausgehend von dieser Darstellung betrachten wir nun die Produktentstehungs- und Herstellungsprozesse in den beteiligten Fachbereichen.
Zu Beginn eines Projekts steht häufig noch viel Handarbeit – sei es bei der Erstellung technischer Zeichnungen, der Abstimmung zwischen Fachbereichen oder der Suche nach passenden Baugruppen. Besonders bei CTO+ (CTO Plus) und ETO-Prozessen sind manuelle Tätigkeiten oft die Regel. Doch das muss nicht so bleiben.
Ziel eines innovativen Variantenmanagements ist es, manuelle Engineering-Anteile Schritt für Schritt zu reduzieren, indem wiederkehrende Tätigkeiten systematisch in automatisierte Services überführt und in regelbasierte Prozesse integriert werden.
Die Vision: Durchgängige End-to-End-Prozesse – vom Kunden zum Kunden – mit einem Lösungskonfigurator für den Vertrieb und einer durchgängigen Digitalisierung und Automatisierung der Auftragsgewinnung und der Auftragsabwicklung in allen Bereichen, d.h. Vertrieb, Engineering, Kalkulation, Planung, Produktion und Services.
1. Vertrieb – Angebote in Echtzeit, nicht in Excel
Der erste große Hebel liegt im Vertrieb: Ein intelligentes CPQ-System (Configure–Price–Quote) ermöglicht es, schnell auf Anfragen zu reagieren – mit Angeboten, die technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll sind. Die Zeiten unübersichtlicher Excel-Tabellen und mehrfacher Rückfragen in die Technik gehören der Vergangenheit an. Der Vertrieb erhält ein Regel-basiertes Werkzeug, um schnell und fehlerfrei kundenindividuelle Lösungen zu konfigurieren, Preise zu kalkulieren und Angebote zu erstellen.
2. Entwicklung und Konstruktion – Standardisierung schafft Freiräume
Ein gut gepflegter Produktbaukasten reduziert den Aufwand im Engineering erheblich. Anstatt bei jeder Kundenanfrage aufs Neue zu entwickeln, wird die Wiederverwendung erleichtert und die Variantenkonstruktion durch konfigurierbare, parametrische Module unterstützt. Dies verkürzt die Engineering-Zeiten und sorgt für konsistente 3D-Modelle, Zeichnungen, Daten und Dokumente. Somit entsteht Freiraum für echte Innovationen. Sonderfälle lassen sich klar abgrenzen: Anpassungen oder Neuentwicklungen.
3. Planung und Produktion – Von Variantenvielfalt zur Fertigungsroutine
In der Fertigung profitieren Unternehmen von klaren Produktstrukturen und eindeutigen Fertigungsinformationen. Diese können aus der Konfiguration direkt abgeleitet werden – regelbasiert und automatisiert. Somit werden Abstimmungsaufwände reduziert, die Fehlerquote gesenkt, und auch kleine Stückzahlen und Unikate sind nun wirtschaftlich produzierbar. Insbesondere bei CTO und CTO+ ist die enge Verzahnung aus der Konfiguration (z.B. CPQ, ERP, PLM …) in die Arbeitsvorbereitung und Fertigung (z.B. CAD/CAM, PPS, MES, QMS …) ein zentraler Erfolgsfaktor.
4. Services – Individualisierte Betreuung, systematisch geplant
Oft unterschätzte Vorteile liegen im Service: Wenn alle Produktvarianten dokumentiert sind, können Ersatzteile, Wartungspläne oder Erweiterungsoptionen zielgerichteter angeboten werden. Kunden werden besser verstanden – und Unternehmen entwickeln langfristige Bindungen und zusätzliches Business. Trends wie „Anything-as-a-Service“ (AaaS) zeigen, wo die Reise hingeht: Von einmaligen Produktverkäufen hin zu laufenden Serviceangeboten, basierend auf individualisierten Produktausprägungen.
Die Einführung eines Variantenkonfigurationssystems ist kein Selbstzweck – sondern ein Change-Prozess, der sich schrittweise entwickeln muss. Wichtig ist dabei vor allem eines: Alle betroffenen Bereiche einbeziehen, Silos aufbrechen und von Anfang an auf eine End-to-End Prozess- und Datenstrategie setzen – für durchgängige Konfiguration und Automatisierung.
Wenn die Konfigurationslogik nicht an Abteilungsgrenzen endet, sondern vollständig und zu Ende gedacht ist, entfaltet Variantenmanagement seine volle Wirkung: Mehr Effizienz, höhere Kundenzufriedenheit, geringere Fehlerquoten und größere Margen. Ein leistungsfähiges Variantenkonfigurationssystem ist in eine durchgängige Variantenmanagementstrategie eingebettet– inklusive intelligenter Assistenzfunktionen, um Anwender zu unterstützen, anzuleiten und zu entlasten.
Kundenzentrierung bedeutet nicht, so viele Optionen wie möglich anzubieten, sondern passgenau die richtigen Lösungen, und diese verständlich, sicher und effizient für alle Beteiligten nutzbar zu machen.
In Teil 3 unserer Blogreihe werfen wir einen Blick auf CPQ, ein bewährtes Werkzeug im Vertrieb variantenreicher Produkte, und schauen uns an, warum Digitale Assistenten die perfekte Ergänzung dazu sind.
Die 1927 in Brilon gegründeten Accumulatorenwerke HOPPECKE Carl Zoellner & Sohn GmbH verschreiben sich vollumfänglich industriellen Energiespeichersystemen. Die Hauptbereiche teilen sich auf in emissionsfreie Antriebe (trak), abgesicherte Stromversorgung (grid), Speicherung regenerativer Energien (sun) und Bahn- und Metrosysteme (rail). Das auf Blei-Säure und Nickel-Cadmium spezialisierte Unternehmen hat sein Portfolio durch die 2019 gegründete Tochter INTILION auf moderne Lithium-Ionen-Speichermedien erweitert und deckt dadurch zusätzlich die Bereiche stationärer Speichersysteme zur Pufferung erneuerbarer Energien, Antriebsspeichersysteme für Flurförderzeuge wie Gabelstapler sowie Hochspannungssysteme für den Antrieb von Zügen und andere Schwerlastanwendungen ab.
Dr. Martin Peters
E-Mail: martin.peters@adesso.de